Herrnhuter Losung 25. März 2020

Was kehrt Ihr alles um! Als ob der Ton dem Töpfer gleich wäre, dass das Werk spräche von seinem Meister: Er hat mich nicht gemacht, und ein Bildwerk spräche von seinem Bildner: Er versteht nichts! (Jesaja 29, 16)

Alle miteinander bekleidet euch mit Demut (1 Petrus 5,5)

 

Liebe Leser*innen!

„Sie ist Wachs in meinen Händen“ prahlt der Jüngling über seine neuste Eroberung und löst damit so manche Männerfantasie bei seinen Freunden aus.

Pygmalion erschafft sich aus Elfenbein seine gefügige Traumfrau; und Professor Higgins performt als Erweis seiner Brillanz als Sprachwissenschaftler aus dem Proletariermädchen Eliza Doolittle eine (Fast)Herzogin. 

So geht es zu, wenn Menschen als Material verstanden werden und Meister sie als Werke ihrer Grandiosität darstellen. 

Deshalb ist mir die heutige Tageslosung unsympathisch. Ich will meine Gottesbeziehung nicht in diesen narzisstischen Bildern ausgedrückt wissen.

Herrnhuter Losungen 24. März 2020   

Der Herr ist gerecht in allen seinen Wegen und gnädig in allen seinen Werken (Ps 145,17)

Darum lassen auch wir nicht ab, für euch zu beten und zu bitten, dass ihr erfüllt werdet mit der Erkenntnis seines Willens in aller geistlichen Weisheit und Einsicht (Kol 1,9)

 

Liebe Leser*innen,

Wir machen gerade lebensbedrohliche Erfahrungen mit der Abwesenheit Gottes.

Oder wie anders kann man die Militärkonvois deuten, die die Leichen in Italien im Stundentakt abtransportieren müssen?

Nicht erst seit Corona machen Menschen solche Erfahrungen. Die Bilder von den Grauen des Weltkrieges sind uns präsent:  Leichenberge in KZs, Massengräber gefallener Soldaten., zerbombte Städte, entkräftete, am Straßenrand zurückgelassene Menschen bei der Flucht. 

Wie anders kann man sich solche Bilder erklären, als dass Gott sich abgewendet hat, nicht teilnimmt am Schicksal der Menschen.

Was soll ich also anfangen mit dieser Tageslosung?  Wie infam ist diese Behauptung „der Herr ist gerecht  in allen seinen Wegen“ angesichts dieser Bilder?

Herrnhuter Losung 21. März 20   

Der Herr spricht: Ich will Frieden geben in eurem Lande, dass ihr schlaft und euch niemand aufschrecke ( 3 Mose 26,6)

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, wird eure Herzen und Sinne in Christus Jesus bewahren ( Philipper 4,7)

 

Liebe Leser*innen,

Eigentlich kann ich sehr gut schlafen. Ein gutes Erbteil meiner Vor-Mütter: selbst in unseren Wechseljahren haben wir stets prima durchgeschlafen; Oma und Mutter brauchten auch als Greisinnen keine Schlafmittel, nicht mal pflanzliche. 

Aber seit die Corona-Epidemie um sich greift, schrecke ich jede Nacht mehrmals hoch.

Auf meinem Nachttisch liegt mein Handy -immer schon, um im Notfall erreichbar zu sein für meine Kinder, die nicht mehr zuhause wohnen.

Jede Nacht melden sich nun die unterschiedlichen Apps und Messangers mit den neusten Nachrichten – es gibt einen ploppigen Laut und ich lese, wie viel Tote es in Italien, Spanien, Deutschland...bereits gibt, wie rasant die Infektionsrate steigt und welche immer drastischeren Maßnahmen Regierungen ergreifen in der Hoffnung, dem Grauen doch noch Herr zu werden. 

Ich könnte das Handy im Wohnzimmer platzierten - aber das Schreckliche hat uns längst erreicht, vom friedlichen Schlummern ohne Sorgen, vom alptraumfreiem Lebensgefühl sind wir derzeit weiter entfernt, als ich das Handy je ablegen könnte. Gefühl und auch Verstand schlagen Alarm: die Gefahr ist real. Wie wahrscheinlich ist es denn, dass gerade ich verschont bleibe, Leid - durch das Corona-Virus verursacht- aushalten zu müssen? Es kann doch nicht immer nur die anderen treffen. Meine Angst ist keine Paranoia, sie ist begründet und berechtigt.

Herrnhuter Losungen 23. März 2020   

Herr, du bist`s allein, du hast gemacht den Himmel und aller Himmel Himmel mit ihrem ganzen Heer, die Erde und was darauf ist, die Meere und alles, was darinnen ist (Nehemia 9,6)

Gott hat sich selbst nicht unbezeugt gelassen, hat viel Gutes getan und euch vom Himmel Regen und fruchtbare Zeiten gegeben, hat euch ernährt und eure Herzen mit Freude erfüllt (ApgLk 14,17)

 

Liebe Leser*innen,

Um Gottes kreativen Geist geht es in der heutigen Tageslosung. 

Immer schon haben die Menschen sich die Frage gestellt, wo denn das Leben herkommt. Israelit*innen, Jüd*innen und Christ*innen haben darauf die Antwort gegeben, dass es der transzendente Gott höchstpersönlich ist, der die Welt in einem äußerst kreativen Akt geschaffen hat. Gleich zwei Schöpfungsberichte erzählen von der ungeheuren Schöpferkraft Gottes, der allein durch sein Wort und mit spielerischer Kraft, das hervorbringt, was kein Mensch je erzeugen könnte. 

Hier spiegeln sich die Erfahrungen wieder, die die biblischen Erzähler*innen mit der lebensförderlichen Nähe und Fürsorge Gottes gemacht haben. 

Auch wir suchen nach Gottes Spuren in der Welt – und finden sie im eigenen Leben, im Alltag, im Gemeinschaftsleben, in der Natur. Wir erspüren Gott als Grund allen Seins, als Schöpfungskraft inmitten der Schöpfung. 

Selbst Menschen, die christlicher Tradition und Frömmigkeit eher skeptisch bis ablehnend gegenüberstehen, werden angesichts „des gestirnten Himmels über uns“ überwältigt vom Gefühl der Bescheidenheit und können einstimmen in ein Gotteslob. 

Herrnhuter Losung  20. März 2020

Der Herr deckt mich in seiner Hütte zur bösen Zeit, er birgt mich im Schutz seines Zeltes ( Ps 27,5)

Darum bin ich guten Mutes in Schwachheit, in Misshandlungen, in Nöten, in Verfolgungen und Ängsten um Christi willen: den wenn ich schwach bin, so bin ich stark ( 2 Kor 12,10)

 

Liebe Leser*innen,

„Mensch sein heißt: als Sterblicher auf Erden sein, heißt: wohnen“ – so der Philosoph Martin Heidegger. Und Antoine de Saint -Exypery meint : „ Vor allem bin ich einer, der wohnt“.

Wohnen gestaltet unser Leben:  zuerst im Mutterleib, dann in den vielen Wohnungen, die wir beziehen und uns zur Heimat machen und schließlich als Hoffnung, bei Gott bleibende Wohnung zu haben nach dem Tod. 

Mit unseren Wohnungen verbinden wir Geborgenheit und Schutz, Sicherheit und Intimität. Keine Wohnung zu haben ist schrecklich- denken wir an das Schicksal der Flüchtlinge in aller Welt. In unwohnlichen Häusern leben zu müssen – wie Menschen in Favelas oder unter Brücken – entfremdet von sich selbst und von anderen. Wir haben gute Wohnungen, Gott sei Dank  – aber diese werden Vielen gerade zu gefühlten Gefängnissen. 

Wir erkennen die Notwendigkeit zur Quarantäne. Wir verstehen den Apell der Kanzlerin und aller anderen Politiker*innen zur disziplinieren Selbstisolierung in unseren Wohnungen. Die allermeisten befolgen ihn (hoffentlich) auch. Doch verbinden wir zur Zeit mit dem Zuhause-Bleiben nicht Geborgenheit und Schutz, sondern die beklommene Ahnung von Bedrohtsein. An die Erfahrungen des Großen Krieges erinnerte die Kanzlerin gestern nicht ohne Grund.

Herrnhuter Losung 22. März 2020 

Es ist ein Gott im Himmel, der Geheimnisse offenbart (Dan 2,28)

In Christus liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis (Kol 2,3)

 

Liebe Leser*innen,

Der Spruch aus dem Kolosserbrief in der heutigen Tageslosung ist der Taufspruch meiner älteren Tochter. Ihr Vater und ich haben ihn aus der überbordenden Freude über die Geburt dieses Kindes und aus der tiefen Überzeugung heraus gewählt, dass Gott hier seine Weisheit überaus einleuchtend gezeigt hat. Dieser Schatz, den wir in den Händen hielten – er machte unmissverständlich deutlich, wie gut Gott alles macht. Nach einer Fehlgeburt, nach einer Ehekrise, nach einem komplizierten Anfang der Schwangerschaft – war es nun endlich gut: unsere Tochter war da. Wir waren Eltern und blieben noch für Jahre ein Paar. Das Geheimnis seiner Güte und Fürsorge, in das Gott uns hier hat Einblick nehmen lassen, haben wir gern und dankbar entdeckt. 

Welches sinnvolle – oder nur erträgliche – Geheimnis verbirgt sich aber hinter der Corona-Krise? Welche Weisheit liegt in einer Unzahl sterbender Menschen? 

Welch unmenschlich grausamer Gott lässt sich hier in die Karten gucken? 

Solche Fragen bringen unseren Glauben an seine Grenze. Die Bilder aus Italien – nicht die von den fröhlichen Balkonsänger*innen, sondern die von den Sargreihen in Bergamo – erschüttern unser Vertrauen in die Güte Gottes und lassen uns fragen, ob ER Verstand und Herz verloren hat.

Dann schauen wir Jesus an, der selbst gelitten hat unter dem dunklen Geheimnis Gottes – „warum, mein Gott hast du mich verlassen?“ und hören, dass in seiner Geschichte das Geheimnis aufstrahlt, durch das Leben erträglich wird trotz aller offenen Fragen, aller berechtigten Anklage, inmitten aller fassungslosen Trauer : Das Leben wird den Tod besiegen. 

Herrnhuter Losung 19. März 20

Der Herr wandte sich Israel wieder zu um seines Bundes willen mit Abraham, Isaak und Jakob und wollte sie nicht verderben, verwarf sie auch nicht von seinem Angesicht bis auf diese Stunde (2. Kön 13,23)
Gottes Gaben und Berufung können ihn nicht gereuen (Röm 11,29)

 

Liebe Leser*innen,

Die Corona-Krise erinnert uns an unsere Verletzlichkeit. Was wir gerade erleben, lässt uns spüren, dass wir Naturwesen sind – gemacht aus vergänglichem Staub, wie es in der Bibel ausgedrückt wird. Jederzeit kann es zu Ende sein, jederzeit kann es mich treffen, ich kann es nicht wirklich beeinflussen, was auf mich zukommt.
Unsere Tageslosung spricht nun davon, dass Gott sich mit dem endlichen Staub-Wesen Mensch verbindet; eine liebevolle Bindung eingeht.
Bindungsfähigkeit und Bindungswille sind geradezu Gottes Qualität – Bezogenheit und Partnerschaft charakterisieren sein Wesen. Und wie es in jeder Partnerschaft geschieht, so muss auch Gott allerhand aushalten in seiner Bindung zu uns Menschen : nicht nur die drei namentlich genannten Persönlichkeiten der Geschichte haben Gottes Bindebereitschaft und Ausdauer so manches Mal herausgefordert. Auch unsere Art zu leben, zerrt vermutlich heftig an Gottes Geduld.

Wir erleben gerade wie wichtig und großartig Verbundenheit ist. Da ist ein Nachbar, der für die Familie in der Quarantäne einkauft. Oder der telefonische Anrufservice, zu dem sich Menschen aus unserer Gemeinde gemeldet haben, um einsamen Personen ein*e Gesprächspartner*in zu sein. Oder die aufmunternden Sinngeschichten, die per whatsapp den ganzen Tag lang eingehen und mich erinnern, dass man an mich denkt, auch wenn ich aus den Augen bin. Aus eher Fremden werden in diesen Tagen Schicksalsgefährt*innen. Bindungen werden intensiver und deutlicher wahrnehmbar.

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